Was geschieht eigentlich beim Lesen Lernen im Kopf des Kindes?

Man muss nicht in die Tiefen der Automechanik eintauchen, weil man Auto fährt, aber es ist auch für den Laien spannend zu wissen, wie komplex die Vorgänge im Auto sind. Genauso ist es beim Lesen Lernen. Wenn wir Lesen lernen, verändert dies unser Gehirn auf überraschend grundlegende Weise. Denn nicht nur die Sprach- und Sehzentren wandeln sich dadurch, auch evolutionär alte Hirnareale wie der Hirnstamm und der Thalamus sind beteiligt.

Wie die Forscher beobachteten, passen bestimmte Areale im Hirnstamm und im Thalamus ihre Aktivitätsmuster im Laufe der Zeit enger an den Rhythmus von Informationen an, die das Auge dem Gehirn übermittelt. Diese sogenannte Feuerrate der Sehzentren verändert die Großhirnrinde. Sie übernimmt damit offenbar Assistenzaufgaben beim Entziffern der Schrift. Je synchroner diese Hirnareale zusammenarbeiteten, desto besser konnten die untersuchten Personen am Ende lesen.

„Die Thalamus- und Hirnstammkerne helfen unserer Sehrinde dabei, wichtige Informationen aus der Flut von visuellen Reizen herauszufiltern, noch bevor wir überhaupt bewusst etwas wahrnehmen“, erklärt der Autor Michael Skeide vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Er vermutet, dass die Areale am Hirnstamm zudem die Augenbewegungen koordinieren helfen, mit denen wir die Buchstaben fixieren. „Auf diese Weise können geübte Leser vermutlich effizienter durch Texte navigieren“, so Skeide.  (Science Advances, 2017; doi: 10.1126/sciadv.1602612)

Die Überforderung genau dieses Ablaufs durch das dauerhafte Beschießen des Gehirns mit Bildern durch Fernsehen oder andere Medien kann den Lernprozess des Lesens offenbar verlangsamen und behindern.

Die Bedeutung des Lesen Lernens und die einzelnen Stufen

Die Stärkung der Lesekompetenz ist die Basis für die gesamte Schulzeit und das Leben. Wer gut lesen kann und Texte versteht und richtig nutzt, also Sinn erfassend lesen kann, wird nicht nur im Unterrichtsfach Deutsch gut vorankommen. Auch in fast allen anderen Unterrichtsfächern ist Lesen können zwingend erforderlich. Diesen Prozess erfolgreich zu bestehen ist auch eine Bedingung dafür, später Fremdsprachen gut erlernen zu können.

Zeichen erkennen können
Zum Prozess des Lesen Lernens gehört nicht nur das Lesen von Buchstaben, sondern schon im Vorfeld das Verstehen von Bildern und Signalen. Diese zu verstehen geschieht zeitlich vor dem Lesen und bildet somit eine wichtige Grundlage für das Lesen. Die Kinder lernen in ihrer Umwelt Zeichen kennen, die ihnen etwas sagen. Die Vorstufen des Lesen Lernens gliedern sich folgendermaßen:

• Situationslesen: die Mutter deckt den Tisch, also gibt es etwas zu essen.
• Bilderlesen: auf Fotos oder Zeichnungen werden Dinge oder Personen erkannt und benannt.
• Bildzeichenlesen: Verkehrszeichen, Toilettenzeichen, Pfeile etc., die unseren Alltag regeln, werden erkannt.
• Signalwortlesen wie z.B. Namensschilder, Firmenlogos und Ganzwortlesen wie Mama, und Papa können auch schon vor Schulbeginn zum Teil vorhanden sein. Erst danach beginnt das eigentliche Schriftlesen.

Gemeinsame Stufen beim Schreiben- und Lesen lernen
Am Anfang unterscheiden sich die unterschiedlichen Stufen von Lesen Lernen und Schreiben Lernen nur wenig. In beiden Fällen muss man die Buchstaben kennen. Das erfolgt in verschiedenen Schritten: Zunächst geht es um das Wiedererkennen von Zeichen und Schriftzügen. Dann in der alphabetischen Phase um die Zuordnung von Lauten zu Buchstaben und der Zuordnung von Buchstaben zu Lauten. Und schließlich wird in der orthographischen Phase das eigentliche Schreiben gelernt und beim Lesen entwickelt sich dann hoffentlich ein umfassendes Textverständnis.

Was ist Lesen?
Die Stufen des Lesens führen dahin, schriftliche Informationen aufzunehmen und zu verstehen. Schriftliche Informationen können wir nur verstehen, wenn uns die Schriftzeichen bekannt sind. Aber die Kenntnis der Zeichen allein genügt nicht, der Leser muss sich auch an die vereinbarte Schriftrichtung halten.